Erster öffentlicher Auftritt – ohne Socken

Bestärkt durch das tolle Feedback der Open MIC Session hab ich mal ein wenig recherchiert, ob es in meiner Stadt so etwas wie Poetry Slam Locations gibt. Und bin erstaunt, wie groß die lokale Szene bereits ist!

Hab mich zum nächstmöglichen Termin angemeldet, Familie und Freunde eingeladen und bin losgezogen.
Es ist ein richtig schöner Frühlingstag, doch als ich bei der Bushaltestelle stehe bricht ein Weltuntergangs-Gewitter aus und es regnet in Strömen.
Es ist dunkel, ich habe keine Ahnung wo das Lokal ist und renne kreuz und quer durch die Gegend. Ich bin durch und durch nass, als ich endlich das Lokal betrete. Von meinen Leuten ist noch niemand da. Ich erkundige mich an der Bar, bei wem ich mich hier melden soll wenn ich auftreten möchte, und der Barkeeper deutet in Richtung Bühne.
Ich komme mit ein paar Leuten ins Reden und stelle fest, dass – vermutlich wetterbedingt – die meisten Anwesenden nur zum Zuhören da sind.

Langsam werde ich nervös.
Meine Stiefel, so weiß ich jetzt, sind nicht wasserdicht. Habe klitschnasse Füße. So will ich nicht auf der Bühne stehen, also gehe ich auf die Toilette, ziehe meine durchnässten Socken aus, stopfe mir mehrere Lagen Klopapier in die Schuhe, träufle ein paar Notfalltropfen auf meine Zunge und gehe wieder zurück ins Lokal.
Mittlerweile sind meine Leute eingetroffen und ich bin verdammt erleichtert, endlich bekannte Gesichter zu sehen.

Aufgrund der zu geringen Teilnehmeranzahl wird es kein richtiger Poetry Slam mit Publikumswertungen, Ranking und Siegerehrung sondern einfach ein gemütlicher Abend ohne Wettbewerb, der deutlich macht, wie unterschiedlich Slam-Poeten sind. Manche reimen, andere lesen die Texte einfach vor, und alle wirken auf ihre Art authentisch und erfahren. Ich lausche, lache und staune vor mich hin.

Als ich bemerke, dass ich die Nächste auf der Liste bin, fängt mein Herz wie verrückt zu schlagen an und ich schlinge die Arme meines besten Freundes ganz eng um meine Brust, um mich zu beruhigen.

Dann wird mein Name aufgerufen, Leute applaudieren und plötzlich stehe ich im Scheinwerferlicht.
Irgendwie geht alles sehr schnell. Ich trage meinen Text vor und bemühe mich, vor Aufregung nicht zu schnell zu sprechen. Mit dem Atmen komme ich diesmal besser klar und ich genieße die aufmerksamen Blicke der Zuschauer. Einzig das Mikro ist an diesem Abend nicht mein Freund, denn es quietscht an manchen Stellen und das lässt mich jedesmal zusammenzucken. Trotzdem gelingt mir eine fehlerfreie Performance.

Fertig. Danke. Applaus. Glückwünsche. Erleichterung. Nach dem letzten Beitrag des Abends und ein wenig Smalltalk mache ich mich wieder auf den Heimweg.

Ohne Socken, aber glücklich.

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